Foto: Nik Hadgiev
Foto: Nik Hadgiev

Sport-Aerobic – Eine immer noch unterschätzte Sportart

 

„Aerobic soll für mich persönlich sehr viel Freude ausdrücken, spritzig und fetzig sein und Lust am Leben zeigen. Aerobic soll, bis auf das Training, keine strenge Sportart im eigentlichen Sinn sein. Das Produkt als Kür, welches dabei entsteht, soll viel Spaß und Lebensfreude zeigen“, teilte Helga Galvan freudig mit.

 

Im Jahr 2000 wurde der Grundstein zur Sport-Aerobic in Tirol gelegt. Die Tirolerin Helga Galvan betrieb damals mit Kindern Aerobic als Fitnesssport. Durch Zufall erfuhr Helga von einer neuen Sportart, der Sport-Aerobic. Dabei erkannte die Unterländerin, die mit Leib und Seele Trainerin ist, dass beim Sport-Aerobic mehr dazu gehört als beim „Fitness-Aerobic“. Imponiert von den Eindrücken begann Helga Galvan Sport-Aerobic in Tirol aufzubauen.

 

Fetzig und motivierend

Die Kraft der Turner vereint mit der Beweglichkeit der rhythmischen Sportgymnastik und Akrobatik ergibt mit musikalischer Begleitung von 160 Beats in der Minute die Sport-Aerobic. Den Ursprung hat Sport-Aerobic in der Zeit, als gesünderer Leistungssport modern wurde. „Sport-Aerobic ist ja sehr fetzig und motivierend“, freut sich Helga.

Helga Galvan konnte am Anfang zwei Kinder für diese lebensfrohe Sportart begeistern. Mittlerweile gibt es in Tirol drei offizielle Vereine in Brixlegg, Kundl und Wörgl. Stolz ist sie, die auch internationale Kampfrichterin ist, dass die Zusammenarbeit unter den Vereinen und den Kindern sehr gut funktioniert.

„Wir investieren viel in die Kinder, sodass sie auf Wettkämpfe und Trainingslager fahren können. Zudem organisieren wir zahlreiche Wettkämpfe. Würden wir das nicht machen, dann würde in Österreich sehr wenig geboten werden. Zurzeit sind zwar fünf Bundesländer daran beteiligt, jedoch befinden die sich noch im Aufbau und sehen sich noch nicht aus, Wettkämpfe zu organisieren.“

 

Zehn verschiedene Schwierigkeitselemente

Eine Kür dauert, je nach Alter, zwischen 1:15 Minuten und 1:30 Minuten. Es gibt die Kategorien Einzel, Mix, Trio, Gruppen und Dance/Step als vereinfachte Version von Sport-Aerobic, wobei zusätzlich Tanzschritte mit 32 Beats unterzubringen sind.

Bewertet werden zehn verschiedene Schwierigkeitselemente die am Boden, im Sprung und in der Beweglichkeit auszuführen sind. Dabei können vier bis zehn Punkte erreicht werden. Die Ausführungskampfrichter benoten auch die Artistik und den Ausdruck, wobei die Akrobatik in eine Kür integriert werden darf.

 

Zwei bis sechsmal in der Woche

Um Sport-Aerobic als Leistungssport zu betreiben, sollte man sehr jung sein. Ideal wäre ein Alter von neun Jahren. Sonst wird es schwierig die Elemente so aufzubauen, dass der Körper sie gut präsentieren kann, dass die Kür gut aussieht und der Körper keine Schäden davonträgt. In der Kategorie Dance/Step kann jeder später einsteigen. Wichtig dabei ist nur, dass man Spaß hat und sich gerne zeigt.

Es ist durchaus möglich, Sport-Aerobic länger zu betreiben. Die Weltmeisterin von 2015, Lubi Gazov (Linz), ist 26 Jahre alt und ihre Vorgängerin war 30 Jahre alt.

Tirol braucht sich keineswegs in der Sport-Aerobic-Szene zu verstecken. Mit Michelle Sieberer hat Tirol die zweitbeste Österreicherin und mit Laura Baumgartner und Paula Moser zwei Starterinnen bei der Weltmeisterschaft 2016.

Um diese Erfolge erreichen zu können, sollen die Athletinnen bis zu sechsmal in der Woche trainieren.

Sport-Aerobic gibt es auch als Hobbysport. Die Sportlerinnen dieser Basic Klasse trainieren zweimal in der Woche und starten beim Alpencup mit vereinfachtem Programm. Außerdem dürfen sie mit zu den Trainingslagern fahren. „Ich finde es wichtig, dass auch die Basic Klassen bei Wettkämpfen teilnehmen, denn so haben sie ein Ziel“, erwähnte Helga Galvan.

 

Der soziale Aspekt und das Charisma

Für Helga Galvan ist der soziale Aspekt sehr wichtig. Im Verein lernen die Kinder untereinander sich menschlich zu behaupten. „Es gibt sehr viele Einzelkinder. Im Verein lernen sie wie Geschwister sich zu helfen und miteinander umzugehen“, weiß Helga Galvan, „die Beweglichkeit, die Kraft und Ausdauer, die bei der Sport-Aerobic gelernt werden, braucht man nicht nur im Sport, sondern vor allem auch im Leben. Wenn jemand Spaß am Sport und in der Bewegung hat, der geht auch ganz anders durch Leben. Er ist im Berufsleben ganz anders, viel zufriedener, zielorientierter und er beißt sich durch! Mir ist es absolut wichtig, dass auch Kinder das lernen!“

Im Sport-Aerobic können sich die AthletenInnen nur mit Charisma präsentieren und das wird ihnen von Anfang an beigebracht. Oft bekommt Glavan zu hören: „So wie das Kind durch den Saal schreitet, dass muss ein Aerobic-Kind sein!“ Das bestätigt die Arbeit der Trainerin. „Manchmal kommen junge Mädchen zu mir, die sehr schüchtern sind, bei denen aber ein enormes Potential vorhanden ist. Gelingt es uns, durch gegenseitiges Lernen die Schale zu knacken, dann ist das grandios“, freut sich Helga Galvan.

 

Schwierige Zusammenarbeit

Wie bei jedem anderen Leistungssport auch ist ein gelenkschonendes Training wichtig. Aufgrund der finanziellen Situation und der vergeblichen Mühen der Stadtgemeinde Wörgl, den Verein finanziell zu unterstützen, musste die fixe Trainingshalle aufgegeben werden. Dazu kommt, dass nicht-olympische-Sportarten so gut wie keine Fördermittel bekommen. Allerdings konnte sich der Verein Sport-Aerobic Wörgl rund um Galvan nach einem ausgetragenen Weltcup einen Sprungboden finanzieren. „Mich stimmt es traurig, dass die Zusammenarbeit unter den verwandten Sportarten sich eher schwierig gestaltet, wo wir uns gegenseitig doch auch unterstützen könnten. Zudem wäre das eine Bereicherung für alle Seiten. Gerade vor einer Weltmeisterschaft ist es vonnöten, auf einem Sprungboden zu trainieren um die Wettkampfbedingungen zu simulieren“, erklärte Galvan, „und genau diese Möglichkeiten wären im Leistungszentrum für Turnen in Innsbruck gegeben. Nur ist es nicht einfach, dort eine Gelegenheit zu bekommen, um ein Training zu absolvieren. Mich stimmt es aber positiv, dass es mit der Zusammenarbeit besser wird, da wir bei uns jetzt eine Turntrainerin haben.“

 

„Wir tat‘n gern weiter“

Für viele Kinder entscheidet es sich im Alter zwischen 15 und 18 Jahren, ob sie weiter Sport-Aerobic ausüben oder nicht. Helga Galvan freut sich riesig darüber, wenn solche, die auf Grund der Ausbildung aufgehört haben, wieder zurückkommen, auch wenn ihnen bewusst ist, dass sie nicht mehr in den Leistungssport einsteigen können. „Für viele ist es die Gemeinschaft, die sie in der Zeit als Sport-Aerobic-Athleten genossen haben, es stimmt mich sehr glücklich wenn sie sagen ,Wir tat’n gern weiter´. Für sie ist die Sparte Dance/Step oder Basic genau das Richtige“, sagte Helga Galvan mit einem strahlenden Lächeln.