Ein Großer in der Radsportfotografie verlässt mit einem weinenden Auge die Bühne

Ein Vermächtnis von Radsportfotos hinterlässt Walter Andre nach über zehn Jahren Radsportfotografie. Über 700.000 Bilder produzierte er und das meistens unentgeltlich. „Eine idealistische Arbeit, die zur Unterstützung der Athleten und der Vereine in Tirol oder auch österreichweit beitragen sollte“, wie Walter aus Innsbruck zu sagen pflegte. Wie die Radsportfotografie bei ihm anfing, was dem hauptberuflichen Raumausstatter dazu bewegte aufzuhören, wer ihm immer in Erinnerung bleiben wird und vieles mehr erzählte er im Interview mit Regionalsport-Herausgeber Erwin Hofbauer.

Walter Andre Sportfotografie Radsportfotografie Innsbruck Sport Tirol Österreich Regionalsport Interview
@ Walter Andre

RSP.: Walter, wann hielt der Radsport bei dir Einzug und wann hast du mit dem Fotografieren angefangen?

Walter Andre: Ich bin vor zehn Jahre selber Radrennen gefahren, allerdings nur hobbymäßig. Als ich Vater wurde und eine Familie gegründet habe, habe ich mit dem Radsport schlagartig aufgehört. Da das Fotografieren schon immer meine große Leidenschaft war, konnte ich somit dennoch am Radsport teilnehmen. Da es zu meiner aktiven Zeit kaum Radsport interessierte Fotografen gab.

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@ Walter Andre

RSP.: Und dann hast du dich den Veranstaltern angeboten?

Walter Andre: Genau, ich rief die Veranstalter an und fotografierte. Mein Ziel war aber immer, dass die Bilder den Radfahrern zu Gute kommen sollten und sie diese auch verwenden durften, sofern sie mich zumindest namentlich erwähnten. Mit den Jahren entwickelte sich dies und wurde ein großer Erfolg.

 

RSP.: Bei wie vielen Rennen warst du in einem Jahr in etwa?

Walter Andre: Im Schnitt waren es ca. 25 Rennen, wobei einige auch in anderen Bundesländern stattfanden.

 

RSP.: Warum hast du dich entschlossen damit aufzuhören?

Walter Andre: Ich merkte, dass es Zeit für mich wurde mich etwas zurückzuziehen. Außerdem wurde mein Name immer seltener genannt, sodass ich mich oft über diese Ignoranz ärgerte und schließlich keine Freude mehr daran hatte. Und ich war nicht der Einzige, der bezüglich der Fotorechte so empfand.

Leider wird das Thema Medien in den Vereinen vernachlässigt, was für mich unverständlich ist. Mir war es immer wichtig. Das habe ich den einzelnen Sportlern auch mitgeteilt, dass sie den Sponsoren gegenüber verpflichtet sind, eine gewisse Medienarbeit zu leisten. Schließlich erhalten sie auch etwas von ihnen.

RSP.: Warum vermutest du, ist das der Fall?

Walter Andre: Mir kam es immer so vor, als ob dieses Thema die Vereine nicht wirklich interessieren würde. Entweder üben gewisse Vereine diesbezüglich zu wenig Druck auf die Fahrer aus oder das Interesse ist schlichtweg nicht vorhanden – alles auf Kosten der Sponsoren. Zumal es heutzutage ohnehin schwierig ist für den Radsport Sponsoren zu bekommen.

 

RSP.: Obwohl du die Bilder den Vereinen zur Verfügung gestellt hast, wurde nichts daraus gemacht?

Walter Andre: Viel zu wenig und nicht professionell. Nach einem Danke und „das sind tolle Bilder“ kam nicht mehr viel. Eine Aussendung mit einem Rennbericht wurde selten gemacht oder die Fotos wurden ohne Namensnennung einfach weitergegeben, was viele gewisse Leute bei einer Klage hätte teuer zu stehen kommen können, da sie das Urheberrecht verletzt haben. Es wurde leider häufig einfach angenommen, dass ich bei den meisten Veranstaltungen in Tirol sowieso bei den Rennen war.

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RSP.: Das heißt, du hast selber immer recherchiert wo und wann ein Rennen war, aber gefragt hat dich nie jemand ob du Fotos machen könntest?

Walter Andre: Nur manchmal wurde ich gefragt ob ich nicht hier oder dort Fotos von den Fahrern machen könnte.

 

RSP.: Das lief dann professionell ab?

Walter Andre: Auch nicht immer, es fehlte in den meisten Vereinen an Disziplin. Oft kamen die Fahrer zu spät oder gar nicht zum Fototermin und das habe ich für mich selber nie akzeptiert, denn so etwas sollte nicht vorkommen. Auch dies war einer der Gründe, die mich zum Aufhören bewegten.

 

RSP.: Was war noch ein Grund?

Walter Andre: Zum Beispiel auch das Thema Handy, welches bereits seit zwei bis drei Jahren sehr vorrangig wurde. Nehmen wir zB.eine Siegerehrung bei der fünf Fahrer auf der Tribüne stehen: einer schaut in die Kamera und die anderen vier blicken in Richtung der Handys von Freunden, Familien und Angehörigen, statt zu mir. Oder die Handyfotografen drängen sich vor die Pressefotografen, was eigentlich auch nicht sein sollte bzw. sein darf.

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RSP.: Ein „in die Kamera rufen“ half nicht?

Walter Andre: Das habe ich am Anfang oft gemacht, nur irgendwann habe ich damit aufgehört. Ich habe leider sehr viele Bilder auf denen alle entweder links oder rechts schauen oder gar keiner in die Kamera geschaut hat. Ich habe mir dann nur gedacht, „lass es, denn wenn sie es selber nicht merken oder der Veranstalter nicht fähig ist, eine Ansage durch das Mikrophon zu veranlassen, dann soll es eben so sein, bin ja nicht der Kasperl von denen.“

 

RSP.: Zu unprofessionelle Arbeit von Veranstaltern?

Walter Andre: Ist mit Sicherheit ein wichtiges Thema, denn der Veranstalter will ja auch Fotos von strahlenden Siegern. Eigentlich sollte der darauf achten, dass zuerst die Presse bedient wird und dann die anderen.

 

RSP.: Gibt es sonst noch einen Grund warum du aufhören möchtest?

Walter Andre: Ja, das „Schindluder-treiben“ mit den Bildern. Wie gesagt, stelle ich meine Fotos den Sportlern gerne kostenlos für private, bei Anfrage und Erwähnung meines Namens auch für öffentliche Zwecke zur Verfügung.

 

RSP.: Gesagt wurde es denjenigen mit Sicherheit mehrmals?

Walter Andre: Immer wieder habe ich darauf hingewiesen und ihnen gesagt, dass das nicht rechtens ist und der Verein für die Aufklärung der Fahrer zuständig wäre.

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RSP.: Was waren für dich im Nachhinein die schönsten Momente in deiner Fotografenkarriere?

Walter Andre: Da gibt es einige Highlights. Ich fand es immer berührend, wenn ich nach einem Rennen zu den Fahrern ging, die gewonnen haben, um mich zu entschuldigen weil ich sie so angefeuert habe und die sich fürs Anfeuern bedankten. Manche kamen sogar unmittelbar nach dem Rennen zu mir und bedankten sich mit den Worten: Es habe ihnen nochmals einen Motivationsschub gegeben. Diese Momente gehen bei mir tief unter die Haut, ich lebe einfach mit, ich kann nicht anders. Ich feure jeden gerne an.

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RSP.: Haben solche Momente dazu beigetragen, dass du diese Arbeit so lange manchen konntest?

Walter Andre: Diese trugen dazu bei, wie auch die tollen Persönlichkeiten die ich über die Jahre kennenlernen durfte, wie ganz großartige Radsportler aber auch tolle Moderatoren wie zum Beispiel Martin Böckle, Othmar Peer, Bernhard Hochreiter und Hermann Edler. Denen möchte ich an dieser Stelle zutiefst meinen Dank aussprechen. Sie haben mich immer wieder namentlich erwähnt, mich gelobt und mich motiviert. Die Zeit möchte ich nicht missen, es war super mit ihnen zusammenzuarbeiten.

 

RSP.: Hast du mit den Fotos etwas verdient und wie bestreitest du deinen Lebensunterhalt?

Walter Andre: Ich bin selbstständiger Raumausstatter und die Fotografie war und ist nur mein Hobby. Wenn meine Fahrtkosten ersetzt wurden und auch etwas zum Essen und/oder Trinken inkludiert war, war das oftmals alles was bezahlt wurde. Du weißt selber, die Zeit, die wir dann zu Hause aufwenden, mit aussortieren, bearbeiten usw. bezahlt uns keiner. Nur das ist für mich die eigentliche Arbeit. Oft habe ich 700 Bilder und mehr von einem Rennen online gestellt. Zuvor musste ich aber ca. 3.000 Bilder aussortieren, was oft stundenlang gedauert hat.

 

RSP.: Kannst du beziffern, wie viele Stunden du für die Radrennen investiert hast?

Walter Andre: Das ist schwer zu sagen. In den letzten Jahren habe ich nicht mehr so viele Rennen besucht. Zuvor waren es an die 20. Meistens war es der Renntag an sich und dann nochmals 15 bis 20 Stunden nacharbeiten.

 

RSP.: Und das neben der Familie?

Walter Andre: Genau, die dann oftmals sagten, „oje, du bist das Wochenende eh wieder nicht da...“.

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@ Walter Andre

RSP.: Was bedeutet für dich das Radfahren im Allgemeinen?

Walter Andre: Ich finde es einen tollen Sport. Ich spielte vorher Tennis und startete irgendwann einen Versuch mit dem Radfahren. Das gefiel mir dann dermaßen gut, dass ich damit anfing. Vor allem die Aufopferung, die Anstrengung und die Qualen die die Sportler bei einem Rennen auf sich nahmen faszinierte mich.

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RSP.: Was hat dich dann zum Rennen fahren motiviert?

Walter Andre: Die Aussage von ein paar trainierten Fahrern, die es mir bei einer Achenseerunde sprichwörtlich „zeigen“ wollten, dass ich zu wenig fit wäre und ohnehin nicht mithalten könnte. Daraufhin trainierte ich enorm viel und nach ein paar Monaten konnte ich sie abhängen. Das motivierte mich sehr.

 

RSP.: Was kommt dir spontan in den Sinn, wenn du dich an diese Zeit zurückerinnerst?

Walter Andre: Der Ötztaler Radmarathon den ich gefahren bin und mich während der Fahrt auf das Timmelsjoch fragte, warum ich mir das antue? Bin ich blöd? Und dann stand ich am Gipfel und ich fragte mich: „Gibt es etwas Schöneres?“

 

RSP.: Was war oder ist dein Lieblingsrennen aus fotografischer Sicht?

Walter Andre: Der Reiz galt den Bundesligarennen. Das Eröffnungsrennen in Leonding habe ich immer geliebt, nur das Hinfahren war nicht immer einfach. Die Ö-Tour war auch ganz toll, wie auch die Etappe auf das Kitzbüheler Horn. Nur war es oft schwer eine Akkreditierung für diese Rennen als „Hobbyfotograf“ zu bekommen und eigentlich als Zuschauer die geeigneten Fotoplätze unter den Menschenmassen zu finden, dies war eine Herausforderung.

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RSP.: Die Weltmeisterschaft 2018 wäre doch der geeignete Abschluss für dich oder?

Walter Andre: Das habe ich mir am Anfang auch gedacht, nur habe ich es aufgegeben, eine Akkreditierung zu bekommen. Auf der einen Seite verstehe ich es, dass nicht jeder einen Ausweis bekommen kann, andererseits denke ich mir, ich habe sehr viel für den Radsport getan, da sollte eine Genehmigung kein Problem sein. Für mich ging es nur darum, dass ich etwas näher am Geschehen sein kann.

 

RSP.: Welcher Fahrer hat dir in den zehn Jahren an meisten imponiert?

Walter Andre: Stefan Denifl, den habe ich schon lange verfolgt und immer hoch eingestuft. Mich hat es immer geärgert, dass die Leute meinten, er solle es doch endlich lassen, aufgrund seiner Verletzungen Doch meiner Meinung nach hatte gerade er ein enormes Potential. Dann folgte das Highlight: der Sieg bei der Ö-Tour, da wurde er wenigstens von ein paar Österreichern unterstützt, denn er hatte leider keine starke Mannschaft speziell für die Bergetappen zur Verfügung, wie auch bei der Vuelta-Bergetappe, in der er eine Etappe gewinnen konnte. Ich finde es toll, dass er die Chance nützt und eventuell als Kapitän bei der Tour de France starten kann.

Wen ich auch noch hoch schätze ist Michael Gogl, der trotz seiner Erfolge Mensch geblieben ist. Er ist offen, für seine Fans da und am Boden geblieben. Leider gibt es viele Fahrer in Österreich, die gut sind aber die Nase zu weit oben tragen.

 

RSP.: Glaubst du, dass sich die Veranstalter zu wenig um Fotografen kümmern?

Walter Andre: Ich denke, für sie ist das nicht ganz so wichtig, bis sie merken, dass sie doch Fotos gebraucht hätten.

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RSP.: Hättest du dir von Vereinen mehr erwartet?

Walter Andre: Eigentlich schon, ja. Es war immer meine Initiative, den Fahrern und dem Verein die Fotos zu geben und da hätte ich mir gewünscht, dass mehr Informationen oder eine Art Gegenleistung von ihnen gekommen wäre. Nur bei manchen Vereinen war dies der Fall.

 

RSP.: Also, dass auch die Vereine Initiative ergreifen?

Walter Andre: Genau und nicht erst nach mir rufen, wenn quasi der Hut brennt.

 

RSP.: Betreffend Medienarbeit kam mir zu Ohren, dass die Vereine es irgendwann aufgegeben haben eine Presseaussendung zu machen, da nie etwas oder selten etwas veröffentlicht wird?

Walter Andre: Ich finde es traurig, dass nicht die Leistung sondern das Geld zählt damit ein Bericht veröffentlicht wird. Das darf meiner Meinung nach nicht sein.

 

RSP.: Wie war das Race across America für dich?

Walter Andre: Das zählt natürlich auch zu den Höhepunkten. Es war die ultimative, positive Herausforderung für mich. Die sensationelle Leistung von Patrick, die tollen Motive, die großartige Landschaft, die einzigartige Hilfsbereitschaft der Menschen dort und deren Anerkennung bis hin zur Herausnahme waren für mich ein unvergessliches Erlebnis, welches ich nicht missen möchte. An dieser Stelle möchte ich mich ganz herzlich bei Patrick bedanken, der es mir ermöglicht hat dabei zu sein. Das war ein tolle Sache wovon ich heute noch zehre.

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@ Walter Andre

RSP.: Gäbe es etwas was sich ändern müsste, damit du wieder zurück kommst oder weitermachen würdest?

Walter Andre: Ich glaube, ich brauche jetzt erstmals Zeit für mich und meine Familie. Wenn jemand möchte, dass ich zurückkommen und Fotos machen soll, dann müsste es in der Art ablaufen, wie ich mir das vorstelle.

 

RSP.: Also wenn es ein Konzept oder ein geschnürtes Paket gibt, dann würdest du wieder fotografieren?

Walter Andre: Nur privat und nur für mich.

 

RSP.: Gibt es ein letztes Rennen bevor du dich zurückziehst?

Walter Andre: Wer weiß, sag niemals nie! Rückblickend tut es mir sehr weh, dass ich den Radsport nun verlasse, möchte mich aber noch bei all meinen Sportfreunden bedanken und wünsche ihnen Gesundheit und viel Freude an diesem einzigartigen, tollen Sport.

 

Fotos: Walter Andre, Text am 30 September 2017