Andrea Obetzhofer - in der Königsdisziplin in der Weltspitze etabliert
Die 1999 geborene Andrea Obetzhofer hat 2015 sechs Tiroler Rekorde verbessert. Insgesamt nennt die Mehrkämpferin, die für die TU Raika Schwaz an den Start geht, 14 Tiroler Rekorde ihr eigen, drei davon sind Staffelrekorde. Zudem zählt sie zu den Tirolerinnen mit den meisten landeseigenen Rekorden von der U16 bis hin zur allgemeinen Klasse.
Sportlich war das Jahr 2015 das bisher erfolgreichste in der noch jungen Karriere von Andrea. Mit Platz 5 bei der Jugend-WM in Cali im Juli dieses Jahres ist ein Traum in Erfüllung gegangen, sich in der Weltspitze zu etablieren.
Neben dieser Topleistung gewann Andrea sechs Österreichische Meistertitel und wurde Dritte im Hallenfünfkampf der Allgemeinen Klasse.
Besonders hervorzuheben ist, dass Andrea Obetzhofer aus dem Zillertal bei der WM in Cali im Siebenkampf das Kugelstoßen mit 15,07 m gewonnen hat und mit dieser Leistung im Einzel in dieser Disziplin auf Platz elf gekommen wäre.
Regionalsport Tirol traf Andrea Obetzhofer zusammen mit ihrem Trainer, Ing. Christian Heiß, zu einem Interview.
Wie bist du zu dieser Sportart gekommen?
Andrea: Durch Freunde und über den Turnunterricht.
Welchen Reiz übt diese Sportart für dich aus?
Andrea: Im direkten Vergleich sich mit anderen messen. Bezogen auf den Mehrkampf besteht der besondere Reiz darin, dass man in jeder der sieben Einzeldisziplinen über zwei Tage sein Bestes geben muss, damit am Ende ein Maximum an Punkten herauskommt. Und gewinnen tut der mit den meisten Punkten, was mir schon oft gelungen ist.
Was sind für dich die unangenehmen Momente im Mehrkampf und wie gehst du in solchen Augenblicken damit um?
Andrea: Der 800 Meterlauf, denn der kostete mich in Cali die WM-Medaille. Ich war kurz traurig, hakte das aber schnell ab. Jetzt trainiere ich, um in dieser Disziplin besser zu werden.
Christian: Ich habe sie noch nie so traurig erlebt wie damals bei der WM in Cali. Ist aber positiv, denn das zeigte mir, dass ihr Herz blutet und sie heiß auf eine Medaille ist.
Andreas Stärke ist, dass sie schnell solche Situationen vergisst, nicht lange analysiert – ist mein Job – oder grübelt, sondern gleich weitermacht.
Was sind deine langfristigen Ziele?
Andrea: 2016 die Teilnahme bei der Jugend-EM in Tiflis. Dort die Qualifikation zu schaffen und eine Top-Drei-Platzierung zu erlangen.
Richtest du dein komplettes Leben nach dieser Sportart aus?
Andrea: Der Sport ist neben der Schule und meinen Freunden ein wichtiger Teil in meinem Leben, da ich fast jeden Tag damit beschäftigt bin.
Fällt es dir schwer?
Andrea: Ja, manchmal schon – speziell wenn es in der Schule stressig ist, da hat man schon einen Zeitdruck mit Schule, lernen, Training. Sonst fällt es mir nicht schwer.
Was sollte man als Außenstehender über den Mehrkampf wissen?
Christian: Es ist die härteste Leichtathletik-Disziplin überhaupt. Sie wird nicht umsonst die Königsdisziplin genannt. Man muss den Charakter, den Ehrgeiz sowie den Willen haben und gewisse Grundvoraussetzungen, wie Robustheit, Athletik, Größe sind nicht von Nachteil, mitbringen, das ist das Schwierigste.
Es kommen nur die Härtesten und Ausdauerndsten an die Weltspitze und es ist ein kräfteraubender Trainingsumfang, was die Vielfalt der Disziplinen mit sich bringt.
Wie viel trainierst du in der Woche?
Andrea: Siebenmal die Woche für 1,5 - 2,5 Stunden am Tag und das neben der Sporthandelsschule in Innsbruck.
Was ist deine Lieblingsdisziplin und warum genau diese?
Andrea: Der Hochsprung, obwohl das derzeit nicht meine stärkste Disziplin ist. Beim Hochsprung gibt es viele technische Feinheiten, an denen wir derzeit hart arbeiten.
Wie würdest du dich beschreiben?
Andrea: Ich bin sehr ehrgeizig und zielstrebig, speziell auf den Sport bezogen.
Inwieweit haben deine sportlichen Erfolge, das Leistungsdenken, die Disziplin und dergleichen dein schulisches, aber auch privates Leben geprägt oder verändert?
Andrea: Man ist auch im Schulischen und Privaten viel zielstrebiger, um Ziele zu erreichen.
Was machst du nach der Schule?
Andrea: Das weiß ich noch nicht.
Lässt sich der Sport in der Intensität, wie Andrea ihn betreibt, überhaupt mit der Arbeit vereinen?
Christian: Nein, es gibt hier nur wenige Optionen – eine davon ist der Heeressport oder die Polizei, wo man professionell Spitzensport betreiben kann. Andere Möglichkeiten sind derzeit schwer auszumachen, wenn Andrea an der Weltspitze bleiben will.
Wir sind bereits von allen möglichen Spitzenfunktionären angesprochen worden, dass, egal welchen Weg Andrea einschlägt, sie die nötige Unterstützung dafür bekommen wird. Anfang 2017 muss eine Entscheidung fallen.
Was war dein schönstes Erlebnis bisher?
Andrea: Ganz klar die WM in Cali – der Wettkampf an sich und das Drumherum.
Christian, wie siehst du die Entwicklung in der Leichtathletikszene in Tirol und Österreich?
Christian: In Tirol sieht es wegen dem Vorfall von Kira Grünberg traurig aus. Sie zählt zusammen mit Wirth Lukas, Riccardo Klotz, Katharina Koitz und einigen Berg- und Langstreckenläuferinnen zu den besten Spitzenathleten in Tirol. Danach kommt ein erkennbares Loch.
Allerdings schaut es in Österreich bei den Jugendlichen und JuniorInnen sehr gut aus. Wenn nur die Hälfte davon weitermacht, dann haben wir tolle Athleten für die Zukunft im Juniorenbereich und in der Allgemeinen Klasse. 2015 hatten wir aus österreichischer Sicht die beste WM überhaupt. Drei Semifinal-Teilnehmer in den Sprintdisziplinen, dazu noch 2 Athletinnen unter den Top 5 im Siebenkampf der Frauen (Silber durch Sarah Lagger und Platz 5 durch Andrea), ist für Österreich unglaublich.
Wenn wir an der Basis der Athleten weiterarbeiten, ihnen Perspektiven geben, dann habe ich Hoffnung für die Zukunft.
Was sollte denn aus der Sicht eines Trainers anders gemacht werden?
Christian: Generell ist Leichtathletik ein Stiefkind in Österreich und wird es auch immer bleiben, solange die Struktur so dilettantisch bleibt wie bisher. Zum Beispiel haben wir im Leistungssportzentrum in Innsbruck zwei Halbtagstrainer, die drei- bis viermal in der Woche Training anbieten, was sehr gut ist, aber für den Spitzensport viel zu wenig ist.
Ich möchte an dieser Stelle aber ausdrücklich betonen, dass wir ohne die ausgezeichnete Arbeit von Johannes Achleitner und Claudia Stern in Innsbruck auch diese Erfolge nicht haben könnten.
Es gehört an der generellen Struktur gearbeitet. Bei den Sportschulen in Innsbruck fehlt das Heim dazu, wo Schule und der Sport vereint werden. In ganz Österreich gibt es das nicht, außer bei den Nordischen Disziplinen und teilweise beim Fußball.
Solche Sportschulen mit integriertem Heim sollte es in jedem Bundesland bzw. mindestens fünfmal in Österreich geben. Wo kontrolliert Grundlagen- und Krafttraining gemacht werden kann und die Ausbildung mit dem Sport in Einklang gebracht werden kann.
Was motiviert dich?
Andrea: Ich will weiterkommen, etwas lernen und meine persönlichen Bestleistungen toppen.
Christian, was motiviert dich als Trainer, du machst das ja alles ehrenamtlich?
Christian: Stimmt, ich mache das bereits seit 18 Jahren. Es war und ist neben der Selbstständigkeit und der Familie oft schwer. Damals war mein Sohn, Alexander Heiß, Spitzensportler, als er aufhörte, kam Andrea, und ich habe sofort gesehen, dass sie Potenzial hat, denn sie ist damals mit 12 Jahren 1,70 Meter hoch gesprungen. Eine solche Leistung einer 12 Jährigen konnte unser Statistiker, Karl Graf, weltweit nicht finden.
Meine Motivation war es, mit ihr auf ein Großereignis zu fahren. Nach Cali habe ich mir gesagt: „Solange Andrea Sport betreiben will, werde ich sie betreuen!“ Wobei eine Olympiateilnahme mit Andrea durchaus denkbar wäre. Das könnte ein grandioser Abschluss meiner Trainerlaufbahn sein.
Alle schauen nach den Top-Ergebnissen auf dich Andrea, wie gehst du mit dem Druck um?
Andrea: Den spüre ich noch nicht bzw. ich blende ihn aus.
Was plant ihr für die kommende Saison?
Beide: Der erste Wettkampf ist Ende Jänner, die Jugend-Mehrkampfmeisterschaft der U18. Das ist ein interner Wettkampf auf Weltklassenniveau, wo wir versuchen werden, die Zweite bei der WM und österr. Beste, Sarah Lagger, zu schlagen. Auf das trainieren wir gerade hin.