Wir sind bekanntlich viel auf den Bergen unterwegs. Aber nicht nur das, wir gehen auch gerne weit spazieren. Ehrlicherweise denke ich mir überhaupt nichts dabei und geh auch gerne mal drauf los, ohne etwas mitzunehmen. Wie oft habe ich Erwin schon geschimpft, wenn er wieder den Rucksack mit allem Drum und Dran gepackt hat. Nicht nur einmal wollt ich die sinnlose Wärmedecke oder den Biwaksack zu Hause lassen. Seit gestern weiß ich, dass einem Menschen dieses Verhalten das Leben kosten kann.
Ich war gestern in Innsbruck, bei einem Vortrag über taktische Alpinmedzin von Markus Isser. Meiner Meinung nach, sollte jeder Mensch, der sich in den Bergen bewegt beziehungsweise abseits normal besiedelten Gebietes, sich zwei Stunden Zeit nehmen und diesen Vortrag auf sich wirken lassen. Zuerst war Theorie am Programm. Was ist taktische Medizin? Sie kommt aus Amerika und wurde entwickelt, um verwundete Soldaten so rasch als möglich vom Schlachtfeld zu bringen und sie erst in einer sichereren Zone zu versorgen. Mehr darüber gibt es hier! Der zweite Teil waren praktische Beispiele. Zum ersten wurde mir hier bewusst, was die Bergrettung leistet. Da kann ich mich nur tief verbeugen und sagen „Hut ab“. Das sind normale Menschen, wie du und ich, die sich mit mehr als 20 Kilogramm Gepäck auf den Weg machen, um verunglückte Menschen zu retten. Oft sind sie stundenlang unterwegs, unsereins ist froh nach so einem Marsch ins Bett fallen zu dürfen. Zu dem Zeitpunkt müssen die aber voll das sein, gilt es jetzt einen eventuell schwer verletzten Menschen bestmöglich erst zu versorgen, bevor er in der Trage nach unten getragen wird. Bei widrigsten Verhältnissen (die Bergrettung wird nur alarmiert, wenn der Hubschrauber nicht fliegen kann), eventuell in Dunkelheit und ohne zu wissen, ob alles gut geht. Die körperlichen und psychischen Strapazen muss sich erst einmal jemand antun. Ich kann gar nicht oft genug wiederholen, was für großartige Arbeit diese Frauen und Männer leisten.
Ja und die nächste große Erkenntnis war die Tatsache, dass Unterkühlung immer eine Rolle spielt, selbst im Sommer. Und wenn es nicht eine Verletzung ist, kann eine Unterkühlung einem das Leben kosten. Es wurde von einem Mann berichtet, der 6 Tage in einer Gletscherspalte saß. Überleben ließ ihn eine Wärmedecke und die Ruhe die er bewahrte. Nicht die Schokolade die er mit hatte, nein die Wärmedecke. Auch erwähnt wurde, wie wichtig es ist, am Gipfel angekommen, sich trockene Kleidung anzulegen. Ich mag das eigentlich gar nicht aber seit gestern mag ich es mit absoluter Sicherheit. Es ist null Aufwand und kann Leben retten. Gehen wir von einem nicht schweren Unfall am Berg aus – unser Körper kühlt in der Stunde um 0,5 Grad aus. Noch schneller vorantreiben kann das nasse (verschwitzte) Kleidung. Mit trockener Kleidung und zusätzlich einer Wärmedecke ist viel Zeit gewonnen, die die Bergrettung benötigt um zu uns zu kommen. Ich weiß keine Durschnittszeit, die es dauert, bis die Bergrettung bei Verletzten ist. Die Beispiele von gestern lagen allesamt bei rund 4-5 Stunden.
Ich bin mir sicher, der erfahren Bergsteiger weiß das alles oder auch nicht, wenn ich manchesmal die Mini Rucksäcke bestaune, die sie mithaben. Wie schon erwähnt, kann das aber nicht nur den Bergsteiger treffen, auch eine normale, leichte Wanderung in abgelegeneres Gebiet kann uns in ungeahnte Situationen bringen. Kleidung zum Wechseln und eine Wärmedecke haben locker im Rucksack neben Trinken und Powernahung platz und können Leben retten!
Eure Julia (17.03.2017)